Orte jüdischen Lebens in Heppenheim

Es war eng im Marstall des Amtshofes, und im Kurfürstensaal wäre sicher mehr Platz gewesen für die mehr als 100 Gäste, die am Sonntagnachmittag dabei sein wollten, als der neue Stadtführer offiziell vorgestellt wurde. Aber die Schlichtheit des Ortes passte gut zu einer Veranstaltung, in der es um eine Zeit ging, in der Deutsche andere Deutsche, mit denen sie zum Teil jahrzehntelang friedlich und Haus an Haus zusammengelebt hatten, zu „Untermenschen“ erklärten, sie erst drangsalierten, dann in Konzentrationslager sperrten und am Ende zu Millionen ermordeten.

„Gegen das Vergessen – Jüdisches Leben in Heppenheim“ ist ein von Schülerinnen und Schülern des Starkenburg-Gymnasiums erarbeiteter Stadtplan, der einen Rundgang zu den wenigen noch existierenden Zeugnissen des Judentums anleitet und Menschen aus Heppenheim vorstellt, die nur wegen ihrer Religionszugehörigkeit verfolgt und vertrieben oder getötet wurden.

Entstanden war die Idee für den Stadtführer vor mehr als einem Jahr im Geschichtsgrundkurs der Abschlussklassen des Gymnasiums unter der Leitung von Anna Wenner. In Zusammenarbeit mit Museum, Stadtarchiv und der Unterstützung durch Vereine Heppenheims, die sich in der einen oder anderen Weise mit der lokalen Vergangenheit beschäftigen, ist ein Wegweiser zu acht Stationen in der Kreisstadt konzipiert worden, der – in kurzen Erläuterungen, aber auch mit QR-Codes – zu Orten führt, die nicht immer Inhalt der touristischen Führungen sind.

Angesteuert werden das frühere Tonwerk in der Gunderslache, das ehemalige KZ-Außenlager in der Lilienthalstraße, das ehemalige Kaufhaus Mainzer (Stadthaus), die 1938 zerstörte Neue Synagoge, die Alte Synagoge in der Kleine Bach, das rituelle Frauenbad an der Siegfriedstraße, das Martin-Buber-Haus am Graben und die „Landesheil- und Pflegeanstalt Heppenheim“, Ort der Deportation der Heppenheimer Juden.

Vier der Schülerinnen, die an der Umsetzung mitgearbeitet hatten, zeichneten ein von vielen historischen Fotos begleitetes Bild einer bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten weitgehend harmonischen Gemeinschaft von Juden und Nichtjuden. Dass jüdische Bürger in allen Bereichen des kleinstädtischen Lebens eine wichtige Rolle spielten – als Geschäftsleute, Handwerker, im Fußballverein genauso wie als Fastnachter – war Inhalt des ersten Teils der Ausführungen. Die weiteren Teile beschäftigten sich mit Ausgrenzung, Diskriminierung, Entrechtung und schließlich dem Abtransport in die Vernichtungslager, der diejenigen traf, die es nicht rechtzeitig schafften, zu fliehen.

Schulleiterin Katja Eicke hatte in ihrer Begrüßung angesichts des zunehmenden Antisemitismus auf die „fürchterliche Aktualität“ hingewiesen und den Stadtführer „auch als Stellungnahme des Gymnasiums gegen rechts“ bezeichnet. Und auch FDP-Stadtrat Oliver Wilkening warnte als Vertreter der Stadt eindrücklich vor den Folgen des Wegschauens: „Hunderte Heppenheimer“ hätten zugeschaut, als SA-Männer Juden gequält, die Synagoge angezündet hatten, „und inzwischen sitzen wieder Faschisten im Thüringer Landtag“.

Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von einem – auf Klavier und Geige begleiteten – Projektchor unter der Leitung von Hildegard Crusius, abgeschlossen wurde sie bei einem Glas Sekt, bevor sich ein Teil der Gäste zu einem Stadtrundgang „Gegen das Vergessen“ aufmachte.