Zwiebeln zu verschenken! So lautete die Schlagzeile der Heppenheimer Zeitung am 30. Januar 1942. Denn weil ein Studienrat des Starkenburg-Gymnasiums zu Kriegszeiten die Kinder aus landwirtschaftlichen Betrieben, wenn sie ihm Lebensmittel mitbrachten, bevorzugt behandelte, spielten zwei Jungs ihrem Lehrer einen Streich. Sie wollten ihn für die Ungleichbehandlung strafen und schalteten die Anzeige in der lokalen Presse. Das hatte laut Aufzeichnungen zur Folge, dass zahlreiche Menschen aus Darmstadt, Frankfurt und Mannheim in die Kreisstadt kamen und sich vor dem Haus des Studienrates in der Bismarckstraße drängten.
Schmunzeln mussten die Achtklässler, als sie auf diese skurrile Geschichte in den Chroniken des Starkenburg-Gymnasiums stießen. Im Rahmen eines Geschichtsprojektes stellten sie die Szenen für einen Comic nach und berichteten nun vor großer Zuhörerschaft im Heppenheimer Marstall.
Dort endete nun am Sonntag die Ausstellung zum Schuljubiläum. 140 Jahre Starkenburg-Gymnasium im Wandel der Zeit, was von den Lehrkräften Anne Wenner und Tonia Seiffert aufbereitet wurde. Musikalisch von der Big Band um Leiter Bernhard Godbersen umrahmt, ließen unterschiedliche Menschen die Schulgeschichte Revue passieren.
Schulleiterin Katja Eicke erinnerte beispielsweise daran, wie sich der Alltag für das Kollegium verändert habe. Weg vom allwissenden Lehrer zum Begleiter und Berater. Zudem sei die Welt, in der sich ihre Schutzbefohlenen bewegten, nur noch selten für die Lehrer greifbar. „Der digitale Fortschritt ist eine ganz besondere Herausforderung.“ Ein Quantensprung sei es beispielsweise auch, dass nun ganze Klassenstufen mit iPads ausstaffiert wurden. Eine bemerkenswerte Entwicklung, wenn man bedenkt, dass einst Zeiten herrschten, in denen es nicht mal elektrisches Licht gab.
Verglichen mit den Anekdoten, die Kreisbeigeordneter Philipp Otto Vock in Vertretung von Landrat Christian Engelhardt und Bürgermeister Rainer Burelbach zu erzählen wusste, handelte es sich hierbei wirklich um zwei verschiedene Welten. Acht Jahre lang hatte Vock nämlich nur das Gymnasium besucht, ehe er 1968 sein Abitur machte. „Ich war also G8 und musste am Anfang sogar eine Aufnahmeprüfung bestehen“, so der Redner. An Wandertagen seien die Schüler von ihren Lehrern einmal quer durch den Odenwald gejagt worden, und bei anderen Ausflügen appellierten die Lehrkräfte, die Schüler sollten aufpassen, dass Deutschland nie wieder Krieg gegen Frankreich führe.
Außerdem werde Vock niemals den Café au lait vergessen, den der Lehrer auf der Klassenfahrt nach Paris ausgegeben hat. Früh morgens im Hallenviertel, zehn Tage war die Klasse vor Ort.
Doch nicht nur Geschichten zum Schmunzeln wurden am Sonntag ausgepackt. Die Worte von Katja Eicke zum aktuellen Weltgeschehen hallen noch länger nach. In den Chroniken des Gymnasiums sei nämlich auch von den Kriegswirren zu lesen und vom Ausbruch der Spanischen Grippe. Dies habe mit Corona und Angriffskrieg in der Ukraine einen seltsamen Beigeschmack, würde nachdenklich stimmen.
Von Susanne Herz, Leiterin des Staatlichen Schulamtes, gab es Glückwünsche und Anerkennung. Sie quittierte der Belegschaft der Einrichtung, die Werte des Leitbilds täglich zu leben, also fest stehen, zusammen wachsen, weiter denken. Sie prägten den Schulalltag und sorgten für einen wertschätzenden und toleranten Umgang. Dabei orientiere sich die Schulgemeinschaft stets an der Namensgeberin, der Starkenburg. „Unsere Werte und Regeln bilden ein Fundament, auf dem man fest stehen kann. Die Steine des Mauerwerks symbolisieren das Zusammenwachsen in der Schulgemeinschaft“, so auch Eicke.
Das Orchester spielte Songs wie „How high the moon“ aus dem Jahr 1940 oder „Rock around the clock“ 1954. Auf den Plakaten der Ausstellung sind geschichtliche Abrisse der einzelnen Epochen zu finden. Das Starkenburg-Gymnasium zur Zeit der Wende, die wilden 68er oder die 1980er Jahre.
Wer die Schilder aufmerksam studiert, der erfährt auch, dass die Schule in der Nachkriegszeit noch Realgymnasium hieß, äußerlich zwar unversehrt war, von Truppen und Fremdarbeitern aber ausgeräumt worden war. Erst im Oktober 1945 war der Schulbetrieb nach einer umfangreichen Renovierung wieder möglich. Wer weiter auf dieser Geschichte wandeln will, der kann dies mittels der Chronik der Schulgeschichte tun. Zwei ehemalige Geschichtslehrer, Norbert Krauth und Horst Ober, haben darin Informationen von der Kaiserzeit bis heute zusammengetragen.
(c) Echo-Online 17.01.2023