Zeitzeuge und Überlebender der NS-Diktatur Ignacy Golik feierte seinen 100. Geburtstag

Viele Male in den Jahren 2006 bis 2019 begegneten Schüler*innen und Lehrer*innen des Starkenburg-Gymnasiums Ignacy Golik und waren beeindruckt und bewegt von seinen Berichten und seinen Erfahrungen in Konzentrationslagern des Dritten Reiches. Bis jetzt sind wir ihm dankbar für diese Erfahrungen.

Vor dem Zweiten Weltkrieg besuchte er ein Gymnasium in Warschau. Nach dem Überfall deutscher Truppen auf Polen und der Besetzung Warschaus engagierte sich Ignacy Golik aktiv im polnischen Widerstand.

1941 wurde er von der Gestapo verhaftet und nach drei Wochen ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Er wurde als Häftling Nummer 9.898 registriert und verschiedenen Arbeitskommandos zugeteilt. Er sprach Deutsch und so wurde er im Herbst 1942 dem Kommando SS-Revier, in dem SS-Personal medizinisch versorgt wurde, zur Arbeit zugeteilt.

Zwei Jahre später, im November 1944, wurde Ignacy Golik zuerst ins Konzentrationslager Sachsenhausen und dann nach Barth, ein Nebenlager des Konzentrationslagers Ravensbrück, verlegt. Mit anderen Häftlingen musste er Zwangsarbeit in den Werken des Flugzeugherstellers Heinkel leisten. Am Ende der Haftzeit wog er nur noch 42 Kilogramm.

Ignacy Golik überlebte den „Todesmarsch“ und wurde in der Nähe von Rostock von den sowjetischen Truppen befreit. Seine beiden Brüder haben die Konzentrationslager nicht überlebt.

Nach der Befreiung kehrte er in seine Heimatstadt Warschau zurück, studierte Journalistik und arbeitete bis 1998 als Journalist bei Warschauer Zeitungen.

1964 wurde er nach Frankfurt eingeladen, um als Zeuge im Frankfurter Auschwitz-Prozess auszusagen. Mit seinem phänomenalen Gedächtnis half er bei der Identifizierung der SS-Offiziere, die in Auschwitz eingesetzt waren. Name, Herkunftsort, Dienstgrad, Aufgabengebiet im KZ – es sind viele Informationen, die sich auf immer in seinem Gedächtnis eingegraben haben.

Bei seinen Gesprächen mit Schüler*innen wurde Ignacy Golik oft gefragt, ob er die Deutschen hasst. „Ich kann Leute hassen, aber nicht Nationalitäten“, sagte er dann. Das beeindruckte seine Zuhörer*innen, ebenso wie sein Humor und die Lebensfreude, die er ausstrahlt, trotz all dem Schrecklichen, das ihm widerfahren ist. „Ich habe so ein Motto: Lache das Leben an, dann wird es zurücklachen!“ Bis heute, ins stolze Alter von hundert Jahren, folgt Ignacy Golik diesem Motto.

Wir freuen uns mit Ignacy Golik über seinen 100. Geburtstag, den er am 16. Januar 2022 mit seiner Frau in Warschau gefeiert hat.