Nach dem Podium ist vor dem Podium. Wie vor knapp einer Woche ging das im Marstall über die Bühne, doch diesmal stellten nicht Redakteure dieser Zeitung, sondern Schüler des Starkenburg-Gymnasiums den Heppenheimer Bürgermeister-Kandidaten Fragen. Gerade in Sachen Jugendarbeit und Umweltschutz blieben sie hartnäckig. Der mit zum Teil verlagerter Schule gut gefüllte Raum bot Anschauungsunterricht.
Politik, kombiniert mit Wirtschaft, ist Bestandteil des Stundenplans und doch selten so nah am eigenen Leben gestaltet wie bei dieser Gelegenheit, wenige Tage vor der Bürgermeisterwahl. Eine große Chance aus Sicht von Schulleiterin Katja Eicke, die vorweg beiden Seiten einheizte. Je nach Wahlausgang müsse sich der Sieger oder die Siegerin auch an dem messen lassen, was Jugend und Schullandschaft versprochen worden war. Die Verkehrslage an der Schule, besonders an der Gerhart-Hauptmann-Straße, bezeichnete sie selbst als „geradezu unhaltbare Chaossituation”.
Wenn Eicke zur Dämmerung verwundert Schüler auf dem Schulhof antreffe, offenbarten viele, dass ihnen ein festes Zentrum nicht reiche, und sie kaum eigene Plätze finden könnten. Wenn doch, folgen oft schnell Anwohnerklagen wegen Ruhestörung. Alle drei Bürgermeisterkandidaten – Saskia Böhm-Fritz (Mensch Umwelt Tierschutz), Rainer Burelbach (CDU) und Peter Janßen (LiZ) – sprachen sich für mehr Rücksicht und Verständnis aus. Amtsinhaber Burelbach bedauerte verlorene Akzeptanz, entgegnete aber auch frei nach dem früheren US-Präsidenten John F. Kennedy: „Was könnt Ihr für die Stadt tun?”
Auffällig diszipliniert war das Publikum. Leise und vereinzelt gelacht wurde am ehesten, wenn es wüst zur Sache ging zwischen Burelbach und Janßen, über Generalkritik versus Passivität und unangemessene Aussagen. Die vier freiwilligen Moderatoren waren gut vorbereitet. Auch eine Blitzfrage-Runde gab es. Und dann noch ein paar Zuschauerfragen. Anders als bei solchen Formaten häufig der Fall, waren das präzise Fragen oder Anmerkungen. Bei einem Rundgang durch die Schule hatte das Moderations-Team sichergestellt, dass die anderen Jugendlichen bei den ausgewählten Schwerpunkten mitgehen, fragte aber auch ab, was sie gern erfahren würden.
„Wofür stehen Sie?” Das war die erste Frage an Böhm-Fritz, die ihr Engagement „für meine Heimat” voranstellte. „Ich habe hier eine tolle Schulzeit und Jugend gehabt und möchte etwas weitergeben”, schwor sie sich gleich auf das diesmal eher noch nicht wahlberechtigte Plenum ein. Echte Gemeinschaft sei das A und O. „Wenn Sie Jugendlicher wären, wo würden wir Sie finden?”, wollten die Schülervertreter wissen und damit, wie die einstudierte Überleitung zeigte, gern aufzeigen, dass es nichts Gescheites gebe in der Stadt. Burelbach wollte das so nicht stehen lassen und würde sich selbst zum „Abfeiern” mit Kumpels in die Weinberge schlagen.
Immer schon gern zum Beispiel am Bruchsee war Böhm-Fritz. „Nicht an der Schule” wäre sie zu finden, „da ist man ja sonst schon den ganzen Tag”. Janßen würde bolzen, wenn möglich. Fußballtore hätten aus Sorge vor Vandalismus keine Netze, dabei wäre doch Stahl denkbar. Mit dem geschlossenen „Apfelbaum” gebe es auch keine Möglichkeit mehr, ab 22 Uhr irgendwo einzukehren, wie eine Schülerin gegen Ende beklagte. „Was kann besser werden?” Von Multifunktionsflächen sprach Burelbach, Böhm-Fritz von einem ab dem kommenden Jahr bespielbaren Europaplatz. Immer wieder beklagte Janßen, wie das Stadtbild verschandelt würde. Der Grillplatz fehle seit Jahren, dem Europaplatz sein Konzept, Halber Mond und Parkhof stünden für ungenutzte Potenziale.
Umgang miteinander
„Ihr werdet übergangen”, betonte Böhm-Fritz und versprach, auf die Jugendlichen zuzugehen. Wie Janßen, nachdem das Projekt Jugendparlament bislang kläglich gescheitert sei. Nicht Politik und Verwaltung, sondern der Jugend selbst will Burelbach die Frage überantworten, welches Forum zu welchen Themen gewünscht ist. Die entsprechende Umfrage sei schon vorbereitet, solle aber bewusst erst nach der Wahl starten. Die Schüler sorgen sich wegen des Klimawandels, erkundigten sich auch nach Visionen. Böhm-Fritz will einen Energie-Mix samt Windturbinen und Geothermie, zudem mehr Flächen entsiegeln, „der Natur Vorrang geben”.
Janßen will mehr Tempo 30 ermöglichen, Rad- und Gehwege fördern, den ÖPNV attraktiver gestalten und damit bei den Haltestellen anfangen. Burelbach erklärte zunächst den Balanceakt, den es zu meistern gelte. Erstmal brauche die Stadt Gewerbe, für Einnahmen und Arbeitsplätze vor Ort. Kinderbetreuung bleibe wichtig, die Verkehrsgestaltung und das schützenswerte Grün aber freilich auch im Blick. Mehr Transparenz zu erwirken, schrieb sich Böhm-Fritz als ein erstes Ziel auf die Fahnen. Das von einer Schülerin beklagte Müll-Aufkommen nannte Burelbach eine Sauerei, appellierte an die Vernunft. Janßen unterstrich, dass die Stadt samt ihrer Wege und Plätze attraktiver werden müsse. Das schütze sie dann auch vor Vandalismus.
(c) Bürstädter Zeitung, 09.03.23