Der Anteil der Aktionäre unter 30 Jahren liegt bei der Sparkasse Starkenburg bei rund 25 Prozent. Testen kann der Nachwuchs unter anderem beim „Planspiel Börse“.
„Ruhig bleiben und aussitzen“, lautet der Rat von Benjamin Lannert an alle Aktionäre. Der Betriebswirt betreut als sogenannter Depot-A-Manager die eigenen Anlagen der Sparkasse Starkenburg – und ist dabei vor allem daran interessiert, das Vermögen des öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts mit Sitz in der Kreisstadt zu vermehren. Gerade in Krisenzeiten sei dies jedoch alles andere als leicht, so Lannert. Wörtlich spricht er von einer „extrem blöden Situation“ für alle Anleger.
In der Tat legte der Deutsche Aktienindex (Dax) am Montag eine wahre Berg- und Talfahrt aufs Parkett. Zwischenzeitliche Verluste von mehr als fünf Prozent wurden kurz nach der Ankündigung einer Waffenruhe im ukrainischen Kriegsgebiet wieder wettgemacht, zum Handelsschluss der Frankfurter Börse verbuchte der Leitindex aber schon wieder ein sattes Minus von mehr als zwei Prozent.
Sein beruflicher Schwerpunkt liege deshalb derzeit eher darin, die aktuellen Verluste an den Kapitalmärkten zu minimieren, so Lannert. Gleichwohl betont er: „Auf lange Sicht kommt bei der Geldanlage in Aktien oder Fonds immer was raus – gerade mit Blick auf das extrem niedrige Zinsniveau.“
Diese Worte, aber auch der seit Jahren andauernde Trend auf dem Geld- und Kapitalmarkt stoßen jedoch insbesondere bei der älteren Generation nach wie vor auf wenig Gegenliebe. Die Anlage in festverzinslichen Wertpapieren oder auf dem Tages- oder Festgeldkonto hat für die risikoscheuen Traditionalisten oftmals weiter Priorität.
Anders sieht es allerdings bei der jüngeren Generation aus, wie eine Analyse des Manager-Magazins vor wenigen Wochen aufzeigte. „2021 ist die Zahl der Aktionäre unter 30 Jahren auf 1,5 Millionen gestiegen“, war dort unter anderem zu lesen. Einer Studie des Deutschen Aktieninstituts (DAI) zufolge gab es allein im vergangenen Jahr in Deutschland etwa 49 000 neue Aktionäre, die jünger als 30 Jahre alt waren. Dieser Trend spiegelt sich auch bei den Volksbanken und Sparkassen wider: Auch deren Bundesverbände meldeten 2021 Hunderttausende neue Fondssparpläne.
Insgesamt haben 2021 etwa zwölf Millionen Menschen ihr Geld in Aktien oder Fonds angelegt. Viele Eltern haben zudem Sparplandepots für ihre minderjährigen Kinder angelegt – und das entsprechende Depot auf den Namen der Kinder angemeldet. Damit handelt laut Manager-Magazin rund jeder Sechste der Deutschen ab 14 Jahren am Aktienmarkt – „der dritthöchste Stand seit 1997“.
Was Experten dabei jedoch überraschte: Die Geldanlage in Aktien bleibt offenbar oft Männersache. „Junge Frauen sind genauso skeptisch wie ihre Mütter“, heißt es.
Benjamin Lannert und Andrea Helm, Pressesprecherin der Sparkasse Starkenburg, können diese Zahlen aus Sicht des Heppenheimer Kreditinstituts nur bestätigen. „Der Anteil der Kunden in unserem Geschäftsgebiet mit einem Depot hat sich 2021 um fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht“, berichtet Helm auf Nachfrage dieser Zeitung. Im Bereich Wertpapiere- und Fondssparen verbuchte die Sparkasse gar einen Zuwachs in Höhe von 22 Prozent – bei allen Kunden.
Insgesamt haben die Kunden der Sparkasse Starkenburg nach Angaben der Pressesprecherin im vergangenen Jahr Wertpapiere im Wert von 213 Millionen Euro gekauft, dem standen Wertpapierverkäufe in Höhe von 123 Millionen Euro gegenüber. „Somit hat sich das Investitionsvolumen unserer Kunden um 90 Millionen Euro erhöht“, bilanziert Andrea Helm. Der Anteil der Jungaktionäre unter 30 Jahren liegt dabei bei rund 25 Prozent.
Bewusst geweckt beziehungsweise weiter gefördert wird das Interesse des Nachwuchses vonseiten der Sparkasse seit Jahrzehnten unter anderem durch das „Planspiel Börse“, bei dem sich Schüler von der neunten bis zur zwölften Klasse in Kleingruppen zusammentun und versuchen, ein imaginäres Startkapital von 50 000 Euro durch geschickte Aktienkäufe und -verkäufe zu mehren.
Zwischen November 2021 und Ende Januar 2022 nahmen laut Julia Einberger, die als Ausbildungsleiterin der Sparkasse Starkenburg das Planspiel im Geschäftsgebiet des Kreditinstituts federführend betreut, 145 Teilnehmer in 57 Gruppen an der jüngsten Auflage teil. Darunter waren insgesamt 68 Schüler des Heppenheimer Starkenburg-Gymnasiums.
Besonders hervor stach dabei das Trio Aylin Avci, Alexander Grabelus und Felix Jäger, das unter dem Namen „Liberale Großverdiener“ durch ein ebenso gewieftes wie risikobehaftetes Handeln mit Technologieaktien sein imaginäres Kapital zwischenzeitlich auf bis zu 65 000 Euro aufstockte. „Wir hatten insgesamt 50 verschiedene Werte in unserem Depot, zehn bis zwölf verschiedene Aktien hatten wir immer drin“, berichtet Alexander.
„Das ist eine sehr gute Streuung“, lobt Benjamin Lannert die Nachwuchs-Trader – wobei die „Liberalen Großverdiener“ ihrem Namen alle Ehre machen und in ihrer Altersklasse schon fast als alte Hasen durchgehen könnten. Denn: Vor allem Felix und Alexander sind auch im realen Leben an der Börse aktiv – und liefern somit das beste Praxisbeispiel für die aufgeführten Studien und Analysen. Und auch Aylin bestätigt in gewisser Weise den Trend. Sie sagt: „Mich interessiert die Börse eigentlich nicht so sehr, mir sind Naturwissenschaften deutlich lieber.“
(c) Echo-Online, 15.03.22