Zählte das Starkenburg-Gymnasium bereits vor einigen Jahren als Notebook-Schule zu den digitalen Vorreitern der Schulen in der gesamten Region, so habe sich die Schule nun noch einmal weiterentwickelt.
f(x) = a * sin (b * ( x – c)) + d. So lautet eine leicht veränderte Version der allgemeinen Sinusfunktion. Nahezu jedem Gymnasiasten ist zumindest die allgemeine Funktion auf dem Weg zum Abitur das eine oder andere Mal begegnet, in der Regel werden die trigonometrischen Funktionen in der Jahrgangsstufe 10 an hessischen Gymnasien durchgenommen.
So auch an diesem Morgen im Heppenheimer Starkenburg-Gymnasium. Aufgabe der Schülerinnen und Schüler ist es vorrangig, die Bedeutung der Parameter a, b, c und d zu erarbeiten und anschließend zu erklären. Kein leichtes Unterfangen, findet nicht nur Christian Schickling.
Mathe hat er zwar selbst in der Schule gelernt, doch unterrichtet der Lehrer in erster Linie die Fächer Deutsch und Englisch. Die Sinusfunktion spielt dabei nicht wirklich eine Rolle. Doch Schickling ist nicht nur Lehrer an der größten Heppenheimer Schule, sondern auch Fachsprecher für Deutsch, sowie IT-Beauftragter des Gymnasiums und Teil des „Digital-Teams“.
Ohne Stifte und Geodreiecke
Gemeinsam mit der Leiterin des Digital-Teams, Evamarie Korell, und Schulleiterin Katja Eicke ist er dann auch eher in dieser Mission im Mathe-Unterricht der 10. Klasse von Anke Schweikard zu Gast. Denn: Die zehnten Klassen sind seit Beginn des Schuljahres 2022/23 die „Piloten“ für das neue Digitalkonzept der Schule.
Für den Mathe-Unterricht von Anke Schweikard heißt das wiederum: Stifte, Parabeln, Geodreiecke oder Schulhefte, wie man sie über Jahrzehnte kannte, sind weitgehend passé. Jeder Zehntklässler sitzt stattdessen vor einem iPad, ein „digitaler Stift“ und eine Tastatur sind das neue Handwerkszeug der Schüler.
Der kleine Bildschirm des Tablets ist zweigeteilt: Auf der linken Seite stehen Funktion, Aufgabenstellung sowie die Antworten der Schüler, auf der rechten Seite ein Koordinatensystem mit digitalem Millimeterpapier. Für die Jugendlichen besonders charmant: Sobald sie den Wert eines Parameters verändern, erstellt das installierte Mathe-Programm automatisch eine neue Zeichnung.
Wird diese mit dem Stift eingekreist und dann auf die linke Seite geschoben, landet der sogeannte Graph automatisch in der Antwortspalte. „Natürlich müssen die Schüler zu Beginn eines neuen Themas auch noch selbst zeichnen, um das Gespür für die Funktion zu bekommen“, erklärt Schulleiterin Katja Eicke. „Anschließend wird aber nur noch mit dem iPad gearbeitet. Das spart Zeit, macht Schülern wie Lehrern deutlich mehr Spaß und ist eben der wesentliche Teil unseres neuen Konzepts.“
Zählte das Starkenburg-Gymnasium bereits vor einigen Jahren als Notebook-Schule zu den digitalen Vorreitern der Schulen in der gesamten Region, so habe sich die Schule nun noch einmal einen großen Schritt in Richtung einer „modernen, digitalen Schule“ weiterentwickelt, merkt Eicke an.
Bedingt wurde dies auch durch das sogenannte Homeschooling in Pandemiezeiten. Katja Eicke: „Viele Schüler haben sich in dieser Zeit neue Geräte angeschafft. Mit einer gewissen Steuerung war es letztlich ein leichter Prozess.“ Und sichtlich stolz fügt sie hinzu: „Ich würde behaupten, dass wir im Landkreis Bergstraße in digitaler Hinsicht am weitesten sind.“
Bemerkbar macht sich dies freilich nicht nur in den zehnten Klassen, wo alle Jugendlichen über ein iPad verfügen – entweder aus dem Privatbesitz der Familien oder aus dem Fundus der schulischen Leihgeräte.
Lernen mit interaktiven Tafeln
Vielmehr sind alle Klassenräume neben normalen Whiteboards auch mit interaktiven Tafeln ausgerüstet, an die sowohl jeweils ein „Classroom PC“ als auch ein Apple-TV angeschlossen sind. Rund 450 technische Geräte stehen den Lehrkräften und den Schülerinnen und Schülern nach Angaben der „Digital-Chefin“ Evamarie Korell zur Verfügung.
„Insgesamt ist so eine einfache und komfortable, auch drahtlose Darstellung der Unterrichtsinhalte auf den Boards problemlos möglich, vor allem mit Blick auf die neuen Lehrer-Endgeräte, die den Lehrern in Form von iPads zur Verfügung gestellt werden“, heißt es auf der Internetseite des Gymnasiums.
Für die Schülerinnen und Schüler stehen nochmals sechs mobile iPad-Koffer mit je 16 Tablets zur Verfügung, die über ein Onlinebuchungssystem für Unterricht reserviert und flexibel genutzt werden können – jahrgangsstufenübergreifend. Möglich gemacht wurde die Vollausstattung des Pilotjahrgangs einerseits durch die Unterstützung der Eltern, andererseits aber auch durch eine Spende in Höhe von 30 000 Euro des Bensheimer Unternehmens „Baldur-Garten“.
Zugang zu digitalen Endgeräten für jeden Schüler
Initiiert wurde die Spende wiederum durch Baldur-Mitarbeiterin Helle Berge. Die gebürtige Dänin ist selbst Mutter eines Schülers des Gymnasiums und sieht die deutschen Schulen im Vergleich zu den Einrichtungen in Nordeuropa deutlich schlechter aufgestellt.
„Jeder Schüler sollte heute schon einen Zugang zu digitalen Endgeräten haben und sie gewinnbringend nutzen können. Das ist die beste Vorbereitung fürs Studium und Berufsleben“, sagt sie. Das neue Konzept von Eicke, Korell, Schickling und Co. habe sie deshalb sofort begeistert. „Dieses Projekt musste vorangetrieben werden.
Die Technik ist nun einmal in der Welt, man kann sich das Thema einer digitalen Schule nicht mehr wegdenken.“ Wie das neue Konzept letztlich insbesondere im Pilotjahrgang der Zehntklässler ankommt, sei indes Bestandteil einer dauerhaften Evaluation, betonen Eicke und Korell unisono.
Sprechstunde für Digitales
Unabhängig davon kündigt die Schulleiterin an: „Die fortschreitende Digitalisierung ist wesentlicher Bestandteil unseres Bildungsangebots und somit auch ein Kriterium bei der Einstellung neuer Kollegen. Das Team hat das Konzept sehr gut angenommen, es gibt sogar eine tägliche Sprechstunde.“ Mit Blick auf die Schüler heißt das: Ab der fünften Klasse findet auch ein breites Angebot in Sachen Medienerziehung statt. Getreu Eickes Motto: „Wir können nicht nur Medien ausgeben, wir müssen uns auch um die Erziehung und die richtige Nutzung kümmern.“
Kein Schritt zurück
Und sollte das Pilotprojekt wider Erwarten scheitern? „Auch dann gehen wir keinen Schritt mehr zurück, sondern bauen eher noch weiter aus“, kündigt Eicke an – und erntet von Korell, Schickling und Helle Berge ein kollektives Nicken. Auch für die Zehntklässler scheint ein Scheitern ausgeschlossen. Sie finden das Pilotprojekt total prima, wie beim Besuch der Mathe-Stunde unschwer zu erkennen ist. fran/ü
(c) Bergsträßer Anzeiger, 18.01.2023