– ein Zeugnis für die über 600-jährige Geschichte des Judentums in Heppenheim
Im März 1943 wird mit Albert Marx der letzte in Heppenheim verbliebene Jude deportiert; eine jüdische Gemeinde gibt es nicht mehr, aber eine Synagoge. Wohl nur aufgrund der Tatsache, dass das Gotteshaus für die jüdische Gemeinde zu klein geworden und 1900 ein Neubau errichtet worden ist, ist die sogenannte „Alte Synagoge“ ihrem Schicksal der Zerstörung in der Reichspogromnacht entgangen. Heute gibt das Gebäude Aufschluss darüber, wie die Heppenheimer Juden ihrem Glauben nachgegangen sind.
Das Wort „Synagoge“ bedeutet „Versammlung“ beziehungsweise „Versammlungsstätte“. Jüdischen Gottesdienst darf jeder erwachsene Jude halten; für einen Gottesdienst benötigt es mindestens 10 männliche Juden. Schätzungsweise um das Jahr 1800 – frühestens 1791 – ist diese Anforderung erfüllt und es wird die Heppenheimer Synagoge in der Kleinen Bach 3 erbaut.
Erstmals tritt das zweistöckige Gebäude 1811 im Lagerbuch der Stadt Heppenheim als „Judenschul“ auf. Es wird als „zweistöckiges Wohnhaus mit gewölbtem Keller“ beschrieben, das wohl eigens als Gebäude für Gottesdienst, Religionsunterricht und Lehrerwohnung errichtet worden ist.
Die beiden Langseiten bestehen aus Bruchsteinmauern und nur Vorder- und Rückseite aus tatsächlichem Fachwerk; wobei es sich bei der Vorderseite um Zierfachwerk handelt. Bis 1938 ist in den beiden Rundfenstern jeweils ein Davidstern, der sich aus blauem und rotem Glas zusammensetzt, zu sehen. Auf Drängen der Nationalsozialisten werden Fensterkreuze aus Normalglas eingesetzt.
Das Obergeschoss wird in seiner gesamten Grundfläche von 70m² durch den Gottesdienstraum ausgefüllt. Er hat ein blau gestrichenes Tonnengewölbe, was ohne tragende Stützen auskommt, und zweifelsohne ein kompliziertes und bewundernswertes architektonisches Werk ist. Die Frauenempore befindet sich im Südteil des Raumes, der durch zwei Gauben mit Licht erfüllt wird. Der Platz der Thoralesung umfasst eine Fläche von 15-20 m² und liegt, gegenüber der Empore, im Norden.
Im Erdgeschoss befindet sich die Wohnung des Lehrers mit Küche, Schlafzimmer und Wohn- und Schulraum in einem.
Zunächst ist das Gebäude nur für die, damals sehr kleine, jüdische Gemeinschaft ausgelegt. Nachdem sich die jüdische Gemeinde in Heppenheim jedoch stetig vergrößert hat, ist die Raumkapazität für 50 bis 60 Personen bald überschritten. Während 1800 rund 50 Juden in Heppenheim leben, steigt diese Zahl bis 1890 auf das Dreifache an.
Auch die Verlegung von Lehrerwohnung und Schule in andere Lokalitäten ändert nichts an den begrenzten Platzmöglichkeiten für Gottesdienste. Hinzu kommt, dass das Gebäude selbst nicht mehr der Zeit und dem Charakter anderer neu erbauter Synagogen entspricht, weshalb 1897 mithilfe der Finanzierung des Bankhauses Hirsch der Bau einer neuen Synagoge beschlossen wird.
Nach der Einweihung der neuen Synagoge wird das alte Gebäude 1901 an den Besitzer des angrenzenden Nachbarhauses, Emanuel Meyerhof, verkauft. 1910 erfolgt der Umbau des Gebäudes, wobei das Erdgeschoss durch die Absenkung der Kellerdecke auf Straßenebene erniedrigt wird. Somit erhöht sich die Deckenhöhe des Erdgeschosses von damaligen ca. 2,70m auf die heutigen 3,60m. 1934 erwirbt die Bezirkssparkasse Heppenheim das ehemalige Synagogengebäude, bevor es 1936 in den Besitz von Leopold Sturm gelangt. Sein Sohn Alfred Sturm ist Mitbegründer der Starkenburg Sternwarte und nutzt die ehemalige Synagoge als Friseursalon. Bis zu seinem Tod 2016 bleibt das Gebäude im Familienbesitz.
2017 erwirbt die Stadt Heppenheim die Alte Synagoge und beauftragt den Förderverein Kulturdenkmal Alte Synagoge Heppenheim e. V. mit dem Erhalt und der Entwicklung des Gebäudes. Nach Abschluss der Sanierung soll dort ein lebendiger Ort der Begegnung und Erinnerungskultur für Vorträge, Ausstellungen, Lesungen, Tagungen und weitere kulturelle Veranstaltungen entstehen.
(Text von Leo Faust und Nils Lerch, beide Abitur 2023.)
Mit Unterstützung des Museums und Stadtarchivs Heppenheim sowie des Fördervereins des Starkenburg-Gymnasiums. |